2. Vestischen Pflegefachtag: "Drehscheibe Pflege - Entwicklung, Möglichkeiten, Innovation"
Vielen Dank an alle Mitwirkenden und Besucher!
Herzliche Grüße
Ihr
Berthold Böttcher
Pflegedirektor Klinikum Vest GmbH
- "Professionelle Pflege" von Herrn Bechtel
- "Pflegekammer - Gegenwart und Zukunft" von Herrn Mai
- "Zukunft der Pflege" von Herrn Berg
- "Patientensicherheit + Bewohnersicherheit in Deutschland +" von Frau Fancois-Kettner
- "Demenz „wertschätzend“ begegnen" von Herrn Mrozek von Gliszczynski
Diese Veranstaltung wurde freundlicherweise unterstützt durch folgende Firmen:
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Nachbericht:
„Endlich ein öffentliches Thema“
Klinikum Vest nimmt mit dem 2. Pflegefachtag den Personalnotstand mit namenhafter Politprominenz in den Blick
Recklinghausen. Lachverbot in der Kirche? „Ausgerechnet da, wo es so schön hallt, da darf man nicht.“ Wendelin Herbrand, Leiter des Bildungszentrums für Pflegeberufe an der BG Unfallklinik Murnau, hat es erlebt. Als Josef Ratzinger noch sein Chef gewesen sei. „Gut“, hat der bekennende „Patch Adams“-Fan Herbrand damals gesagt, „geh du zu deiner Stola, ich geh zu meiner Wilma.“ Herbrand, 13 Jahre nach Kriegsende geboren, ist als junger Pflegender auf die Intensivstation gewechselt und bis heute auf diesem Sektor tätig. Eines hat er in all den Jahren gelernt: Humor sei das A und O - gerade in der Pflege. Diese Botschaft vermittelte er jetzt auch beim 2. Vestischen Pflegefachtag im Recklinghäuser Ruhrfestspielhaus. Unter dem Titel „Drehscheibe Pflege - Entwicklung, Möglichkeiten, Innovation“ hat das Klinikum Vest zum zweiten Mal ein Forum für die Pflegeberufe gestemmt, wie es im Umkreis einzigartig ist. Einzigartig, und wichtig, wie der Zuspruch zur Veranstaltung mit inzwischen mehr als 300 Beteiligten zeigte. „Die Pflege ist endlich zu einem öffentlichen Thema geworden“, sagte Berthold Böttcher, Pflegedirektor am Klinikum Vest, mit Blick auf den Pflegenotstand und die umstrittene Qualität der pflegerischen Versorgung. Und so beleuchteten namenhafte Dozenten Themen von der Gesundheits- und Berufspolitik über Patientensicherheit, Haftungs- und Strafrecht bis hin zum Stellenwert der Demenz, während diverse Aussteller am Rande Hilfsmittel von der Inkontinenz- und Wundversorgung bis zu Aufstehsesseln und Matratzen präsentierten.
Ein wahres politisches Feuerwerk lieferte etwa gleich zu Beginn Staatssekretär Andreas Westerfellhaus, früher ausgebildeter Krankenpfleger, heute Bundesregierungs-Bevollmächtigter für Pflege. Seinen Worten nach sei die Ausgestaltung der Pflegepolitik eine Herkulesaufgabe, für die nur noch drei Jahre Zeit bliebe, zumindest innerhalb dieser Legislaturperiode. Neben der Stärkung der mehr als zwei Millionen pflegenden Angehörigen, dem „größten ambulanten Pflegedienst in Deutschland“ bestehe die Herausforderung darin, pflegendes Personal in den Krankenhäusern zu binden. Die Krux: „Ich renne den ganzen Tag und habe trotzdem am Ende das Gefühl, nicht genug Zeit gehabt zu haben, um Fragen der Patienten zu beantworten und Schüler anzuleiten. Ich habe viele Ideen, bin aber froh, wenn ich den Dienstplan für morgen geschrieben bekomme“, skizzierte Westerfellhaus ein Problem in der Pflege. Der Vorschlag, Ausbildung und Stellenplan zu entkoppeln, brachte ihm jetzt viel Zustimmung ein.
Ein anderer Knackpunkt sei die unterstützende Digitalisierung, Stichwort elektronische Patientenakte. Wie solle das Überleitungsmanagement funktionieren, wenn nur Ärzte und Apotheker Zugangsberechtigungen hätten, ein Physiotherapeut beispielsweise aber nicht einmal ein elektronisches Rezept lesen dürfe? Ein Schritt nach dem anderen, mahnte dagegen Peter Bechtel, der als Vorsitzender des Bundesverbandes Pflegemanagement quasi die Rolle der politischen Opposition zugedacht bekam. In Sachen KI „müssen wir erst einmal die Infrastruktur überprüfen, bevor wir das Add-on mit Robotik und Co anstoßen.“ Übereinstimmung herrschte dagegen bei den fehlenden Rahmenbedingungen wie Tariflohnanpassungen, planbareren familienfreundlichen Arbeitszeiten und planbarem Urlaub. Wie sähe denn ein Tag ohne Pflege in Deutschland aus? „Keine Körperpflege, unter Umständen kein Toilettengang, keine Nahrungsaufnahme, keine Mobilisation, keine Kommunikation und im klinischen Bereich keine OPs und keine pflegerische Nachbetreuung“, so Bechtel, „ohne uns geht nichts.“ Das Bild, das Bechtel zeichnete, sollte ausdrücklich kein Aufruf zum Streik sein, vielmehr sei es geboten, dass die Pflegeprofession selbstbewusster auftrete. Ein Punkt, den Dr. Markus Mai, Präsident der Landespflegekammer Rheinland-Pfalz gerne bestätigte. Er stellte jetzt die Arbeit seiner Kammer, übrigens eine der ersten drei in Deutschland vor und stieß auf großes Interesse: So ergab eine Umfrage, dass in NRW 79 Prozent des Pflegefachpersonals die Bildung einer selbstverwalteten, unabhängigen Landeskammer, die das Weiterbildungsrecht vom Staat übertragen bekommt, befürworteten.
In NRW, und vor allem im Kreis, wird aber noch mehr getan: Dazu gehöre laut Bettina am Orde, Direktorin der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See und Aufsichtsratsmitglied des Klinikums Vest, zum Beispiel der Aufbau einer Knappschaftsakademie, die die Arbeitsplatzattraktivität künftig stärken soll. Insbesondere in Recklinghausen sei zudem ein Projekt zur Integration von Flüchtlingen in den Pflegesektor, das das Klinikum Vest im September vergangenen Jahres auf den Weg gebracht hat, ein toller Vorreiter.
Vorreiter könnte Deutschland laut Hedwig Francois-Kettner, Vorsitzende des Aktionsbündnisses für Patientensicherheit, auch in diesem Bereich werden. So verleihe man hierzulande nicht nur jährlich einen Preis, es werde auch bundesweit am 17. September der internationale Tag der Patientensicherheit gefeiert: „Die WHO wird den Tag aller Voraussicht nach im Mai als Welttag für das Thema bestätigen.“ Andere Positivbeispiele seien die Aktion „Saubere Hände“, die in deutschen Krankenhäusern besser als in Pflegeeinrichtungen betrieben werde („Francois-Kettner: „Da ist noch Luft nach oben.“), die Behandlungsfehlerstatistiken und die kostenlose Broschüre „Reden ist Gold“. Sachorientiert über Fehler reden anstatt zu skandalisieren, keine Schuldigen vorführen sondern gemeinsam aus Misserfolgen lernen, sei die richtige Philosophie.
Und mit der geht Wendelin Herbrand konform, wenn er für mehr Humor in der Pflege plädiert: „Humor ist die Gabe, den Unzulänglichkeit der Menschen und den Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.“ Beispiel gefällig? Herbrand geht offen mit einem Tabuthema um: Er habe nach eigenem Bekunden immer Inkontinenzhosen dabei. „Ich habe noch acht Stunden Heimreise von Recklinghausen bis Murnau vor mir. Aber ich habe keine Angst vor Staus auf der Autobahn.
Inkontinenzhosen - das wird künftig wohl auch in ICEs nötig sein.“ Aber das ist eine andere Geschichte. Und die soll ein anderes Mal erzählt werden.